"Das faszinierende an meinem Hobby: Man lernt im Prinzip nie aus!"Interview mit Hobbyimker Dr. Dirk Becker und Karin Nentwig
4. November 2021
Foto: Hochschulsport Hamburg
Ist es dir bereits aufgefallen? Es summt und brummt im Sportpark! Und das bereits zwei Jahre in Folge. Verantwortlich für das bunte Treiben unter den Linden sind Hobbyimker Dr. Dirk Becker und unsere Mitarbeiterin Karin Nentwig. Im folgenden Interview bekommst du einen spannenden Einblick in die Welt der Bienen und der Honigproduktion.
Herr Becker, Sie sind Hobbyimker - was genau fasziniert Sie so sehr an den Bienen?
DB: Bienen gehören zu den Insekten, die volksläufig als niedere Tiere angesehen werden. Aber gerade bei den staatenbildenden Insekten ist das ein faszinierendes Miteinander: Ein Staat wird aufgebaut und jedes Individuum weiß, was es innerhalb dieses Staates zu tun hat. Außerdem können sich Bienen auf verändernde Umweltsituationen extrem schnell einstellen. Es ist enorm, dass diese niederen Tiere zu solchen physiologischen Leistungen in der Lage sind. Das faszinierende an meinem Hobby: Man lernt im Prinzip nie aus! Man denkt, man hat es verstanden und dann reagieren die Bienen wieder komplett anders.
Wie entstand die Idee, Bienenvölker im Sportpark anzusiedeln?
KN: Die Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit hat uns nach Lüneburg geführt. Dort gibt es direkt auf dem Leuphana-Campus Bienenstöcke. Wir waren von der Idee begeistert, durch das Ansiedeln von Bienen ein Stück Natur auch zu uns in den Sportpark zu bringen. Mit der Frage der Realisierbarkeit sind wir an Dirk Becker herangetreten, der sowohl Mitarbeiter als auch Imker im Loki-Schmidt-Garten der Universität Hamburg ist.
Bienenstöcke in der Stadt? Das funktioniert?
DB: Ich hatte zu Beginn meine Zweifel, gerade was die Versorgung mit Nektar und Pollen im Frühjahr mitten in der Stadt anbelangt. Zu Beginn des Jahres konnten wir dann aber feststellen, dass die Bienen im Sportpark auch im Frühjahr genug Blüten auf Grünflächen, Balkonen und Vorgärten finden, um zu Überleben und um Vorräte anzulegen.
Von welchen Bäumen beziehen die Bienen ihren Nektar?
DB: Alles im Umkreis von 3 Kilometern wird von den Bienen als Tracht* genutzt. Die Haupttracht der Sportparkbienen ist die Linde, dieses Jahr auch der Waldhonig.
Wie viele Bienenvölker leben im Sportpark und wieviel Honig produziert ein Volk?
DB: Im Augenblick leben im Sportpark sechs Völker. Im Sommer sind das pro Volk etwa 40.000 Individuen. Jedes Bienenvolk sammelt pro Jahr etwa 600 Kilogramm Nektar. Davon erntet der Imker abzüglich Wasserreduzierung maximal 40 Kilogramm.
Bienenstöcke sieht man immer öfter im urbanen Raum. Was ist das Besondere am Sportpark Honig?
DB: Besonders ist, dass hier im näheren Umfeld, speziell durch die Vielzahl an großgewachsenen Bäumen, genug Nektar produziert wird. Es herrscht also eine beachtliche Blütenvielfalt, die dazu beiträgt, dass Bienenvölker auch in der Stadt leben können. Es gibt Standorte, zum Teil auch auf dem platten Land, da finden die Bienen nicht ausreichend Nektar- und Pollenversorgung.
Und was sagen unsere Sportler:innen dazu? Wurde schon jemand gestochen?
KN: Obwohl es im Voraus einige Bedenken gab, liegt bisher kein Bericht von einem Zusammentreffen zwischen Sportler:in und Biene vor. Grundsätzlich herrscht ein friedliches Miteinander.
Herr Becker, was macht für Sie einen guten Honig aus und weshalb ist Honig so gesund?
DB: Guten Honig erkennt man daran, dass er fest ist, was bei normalem Honig automatisch passiert. Einzige Ausnahme: Akazien- und Heidehonig, der braucht teilweise mehrere Jahre, um fest zu werden. Fester Honig enthält bis zu 200 wirksame Substanzen: darunter Enzyme, Mineralstoffe, Antioxidantien, entzündungshemmende Substanzen, und so weiter. Man kann festen Honig verflüssigen, indem man ihn in ein Wasserbad stellt und auf 70 Grad erwärmt. Als Folge wird er flüssig, verliert aber all seine wertvollen Substanzen und ist im Endeffekt nur eine Zuckermischung, weil Enzyme nicht hitzebeständig sind.
Wir wissen jetzt, woran wir guten Honig erkennen. Kann dieser auch schlecht werden?
DB: Honig verändert sich laufend in seiner Kristallstruktur. Der Clou ist, den Honig kühl und trocken zu lagern. Wenn man ein Glas Honig in der warmen Wohnung stehen lässt und man den Deckel nicht richtig zugedreht hat, zieht er Wasser. Mit der Zeit können sich dort dann Hefen und Bakterien bilden. Wenn Honig luftdicht verschlossen ist, kann er mehrere Jahre lagern.
Kann man sagen, dass Honigkonsum ein Beitrag zu einer nachhaltigen Lebensweise ist?
DB: Ja, wenn man regionale Produkte erwirbt. 20% des in Deutschland konsumierten Honigs stammt von deutschen Imkern, 80% kommt aus dem Ausland. Hier kann es auch sein, dass der vermeintliche Honig nur eine bessere Zuckermischung ist. Meine Empfehlung: Lieber einen Euro mehr investieren und beim Imker, bei der Imkerin des Vertrauens Honig kaufen. Wir haben in Deutschland sehr hohe Standards.
Welchen Tipp haben Sie für Gartenfreunde, die die Bienen unterstützen möchten?
DB: Alles zu unterstützen, was die Arterhaltung der Insekten fördert. Beispielsweise durch Blütenpatenschaften. Mittlerweile ist in der städtischen Bevölkerung aber ein Wandel zu sehen: Die Leute pflanzen alles Mögliche an, was auch von Bienen gerne angenommen wird. Alles, was blüht und Nektar liefert ist positiv. Es wäre allerdings wünschenswert, wenn man die schönen Grünstreifen entlang der Gehwege wieder in blühende Flächen verwandeln würde. Das spart pflegerischen Aufwand und kommt letztendlich den Bienen zugute.
Auch im Sportpark gibt es noch ungenutzte Möglichkeiten, wie beispielsweise die Umgestaltung der Randbepflanzungen. Hier kann noch einiges getan werden.
Wir bedanken uns herzlich bei Dirk Becker und Karin Nentwig für das Gespräch.
* Tracht = der Ort, an dem die Bienen ihren Nektar sammeln